Udo van der Kolk reproduziert historische Muster aus Leidenschaft

2023-02-15 16:18:00 By : Mr. Victor Yu

Schwälmer Laufsteg – Das ist die Schwalm durch die Mode betrachtet, angefangen von einem kritischen Blick auf die Tracht, der Region als Standort für Mode-Produktion bis hin zu aktuell Kreativen und der Kunst.

Trutzhain – Udo van der Kolk wollte schon als Kind unbedingt einen Handwebstuhl besitzen. „Ich habe meinen Vater schon in der 6. Klasse durch die Gegend gescheucht, damit wir einen Handwebstuhl für mich finden. Doch die meisten hatten Holzwürmer, das wollte er nicht“, erzählt er lachend. Auch auf der Waldorfschule, die van der Kolk besuchte, wurde gesponnen und gewebt.

In 1991 begann er dennoch erstmal eine Lehre zum Tischler und Restaurator für Möbel und Holzobjekte. Doch das Weben blieb ein Teil seines Lebens. Als er zufällig auf einen Weber an einem Handwebstuhl vom Stadtmuseum traf, fragte dieser ihn, ob er mitmachen wolle.

Der junge van der Kolk überlegte nicht lang. „Auf einmal saß ich mit am Webstuhl“, erzählt er schmunzelnd. Und wie es der Zufall wollte, hatte genau dieser Mann noch Handwebstühle, von denen van der Kolk einen erstehen konnte. Zuhause habe er diesen selbst restauriert. „Ich habe mit dem Weben von Flickenteppichen angefangen, um die Technik zu verstehen“, sagt er.

Van der Kolk hielt weiterhin Ausschau nach Webstühlen. „Ich bin über die Dörfer und habe bei den Bauern nachgesehen, was dort auf den Dachböden stand“, sagt er. Handwebstühle im stadtnahen Bereich seien bereits alle entfernt, verbrannt oder entsorgt gewesen. Doch je weiter man in den Schwalm-Eder-Kreis kam, desto fündiger wurde man, erzählt er.

Um seine Lehre 1994 zu beenden, kam van der Kolk nach Dillenburg. „Und der Webstuhl bekam natürlich sein eigenes Zimmer“, sagt er lachend. Von der Brokatweberei der Egeltrauts hatte er damals noch nichts gehört.

Van der Kolk folgte keinem festgelegten Plan. Zwischendurch arbeitete er im Museum in Kassel und restaurierte Bilderrahmen. Auch die Walz war ein Gedanke, der ihm zusagte. Doch als er die Weberei Egelkraut um das Jahr 2000 besuchte, war es um ihn geschehen.

„Das war wie eine Zeitreise. Ich habe den erfahrenen Meister so lang beredet, bis er mich eingestellt hat“, erzählt er immer noch schmunzelnd. Doch das Arbeiten an Maschinen war nun etwas ganz anderes. „Industriebetriebe sind ein großer Unterschied zu dem, was ich bisher gemacht hatte“, sagt er.

Doch die anfänglich harte Zeit sollte seiner Vision, historische Stoffe möglichst originalgetreu nachzubauen, nicht im Weg stehen. Van der Kolk entwickelte sich in den nächsten zehn Jahre zu einem treuen Mitarbeiter der Weberei Egelkraut. Als sein Chef in Rente ging, blieb der Weberei die Übernahme oder die Abrissbirne, wie van der Kolk erzählt.

Um sie und das Handwerk vor dem Aus zu retten, übernahm er in 2011 also das Geschäft. Seit mittlerweile 12 Jahren führt der leidenschaftliche Weber nun einen der letzten Weberei-Betriebe, der seit 1948 immer noch produziert. Gemeinsam mit anderen Unternehmern dieser Branche, wie einem Färber aus dem Schwabenland, unterstützen sich die letzten Existenzen gegenseitig. „Wir sind alle sehr froh, dass wir uns haben“, sagt van der Kolk.

Weil auch die Bandweberei es ihm angetan hat, rettete der 48-Jährige einen Bandwebstuhl vor der Müllhalde. „Um authentisch historische Trachtenbänder zu produzieren, müssen wir aber die Technik dazu genauer verstehen“, sagt er. Mit dem Verein „Der Kettbaum – Netzwerk für Webkunst und Textil-Kultur“ rief er daher das Bandretterprojekt ins Leben. Mit den Erlösen dieser Aktion möchte er Bandwebstühle wieder in Gang bringen und den Prozess finanzieren.

Van der Kolk lebt sichtlich für das Weben. Vor allem privat „tüftelt“ er gern an den Webstühlen und Stoffen. Die Farbgestaltung und das Kombinieren von Materialien bereiten ihm besonders viel Freude. Seine Stoffe sind nicht so günstig, wie von der Stange gekaufte Artikel, doch wer ein Bewusstsein für Qualität und Herstellung hat, der wisse, dass die Preise der Weberei gerechtfertigt sind. Neben Materialkosten trägt er unter anderem auch die der Instandhaltung des Maschinenparks, sagt er.

Auf eine regionale Weberei ist immer Verlass. In Zeiten von Pandemien und anderen Krisen, die die Lieferketten aus fernen Ländern beeinflussen hätten viele regionale Hersteller schauen müssen, wo sie Ersatz bekommen. Bei van der Kolk wurden sie fündig. Er selbst ordert seine Zulieferungen größtenteils im deutschsprachigen Raum und hat daher noch keine Lieferengpässe gehabt.

Doch in Zeiten von Wegwerfmode und grenzenlosem Konsum hat es die Weberei dennoch nicht einfach. Probleme würden hinter Landesgrenzen verlagert und Politiker nichts dagegen tun, sagt er. „Es geht nur noch um den Preis und die Menge. Ich betreibe hier genau das Gegenteil.“

Bereits ab einem Meter nimmt van der Kolk Bestellungen an. Informationen für Interessenten sind auf der Website der Weberei unter goldbrokat.eu zu finden. Hier oder unter bandretter.de gibt es auch die Möglichkeit, die Bandretter-Aktion zu unterstützen. Van der Kolk möchte jederzeit für (An)Fragen seiner Kunden erreichbar sein und sich gut um Bestellungen kümmern.

Nach einem Besuch in der Weberei bleiben daran keine Zweifel. Sein Auge für Material, Muster und Endprodukt ist offensichtlich, seine Bemühungen um die Branche und das Handwerk aber keinesfalls selbstverständlich. (Jenny Breiding)