Stricken ist das neue Meditieren: Das tut gut für Hirn und Gemüt - Blick

2023-02-15 16:27:32 By : Ms. Alice hu

«Inestäche, umeschlah, durezieh und abelah», tausendfach wiederholt, gähn. Stricken hat ein ziemlich altes, angestaubtes und weibliches Image. Denkt man. Stimmt aber nicht – auf diversen Ebenen. Zeit, mit diesen Klischees aufzuräumen. Auch aus gesundheitlichen Gründen, wie wir später im Text sehen werden.

Die Londonerin Cara Delevingne (28), Über-Model der Stunde, strickt hobbymässig. Genauso wie Schauspielerin Krysten Ritter (39), die in der sehr erfolgreichen Marvel-Serie «Jessica Jones» die Hauptrolle spielte, eine Art saufende Punkversion einer Detektiv-Superheldin. Ritter ist mit einem Rocker verheiratet – und teilt auf Instagram regelmässig Bilder von selbst Gestricktem, samt Anleitungen. «Star Wars»-Heldin Daisy Ridley (28), die in den neusten drei Folgen der Filmreihe die Hauptrolle der Rey Skywalker spielt, strickt genauso in ihrer Freizeit wie Schauspieler David Arquette (49). Der hat sich sogar auf dem Cover von «Celebrity Scarves 2» (übersetzt ungefähr: «Schals von Berühmtheiten») ablichten lassen – es handelt sich um eine Kollektion von Strickanleitungen von Hollywood-Grössen in Buchform, deren Erlöse der Brustkrebsforschung zugutekommen. Hollywood-Herzensbrecher Ryan Gosling (40) sagte 2013 im Männermagazin «GQ» sogar, ein Tag zu Hause am Stricken sei, wie er sich einen idealen Tag vorstelle.

Die Hollywood-Strickliste ist endlos erweiterbar: Amanda Seyfried (35), Sängerin Demi Lovato (28), Nachwuchstalent Dakota Fanning (26) – sie alle stricken so gerne, dass sie das auch in der Öffentlichkeit zeigen. Von wegen Lismen ist nur für Alte! Das gilt auch für die Schweiz – während hier zwar die Dichte an coolen Models und Hollywood-Grössen überschaubar respektive nicht existent ist, gibt es dafür eine Alternativszene. Leute im Umfeld des Chaos Computer Clubs, der sich hauptsächlich aus Wissenschafts-Freaks und Hackern zusammensetzt, haben das Stricken auch für sich entdeckt: So veranstaltet etwa das Zürcher FabLab regelmässig Strickkurse, in denen man lernt, wie eine Computer-Strickmaschine so gehackt werden kann, dass sie die absurdesten Muster produziert.

Strickmuster-Heftchen richten sich heutzutage fast nur an ein weibliches Publikum. Dabei ist historisch gesehen das Stricken reine Männersache. Erst Anfang 1500 war der technische Fortschritt so weit gediehen, dass wirklich feine, glatte, gerade Nadeln hergestellt werden konnten, was bis heute für das Strick-Handwerk unabdingbar ist.

1527 entstand schliesslich in Paris die erste Handwerkergilde, so etwas wie eine Zunft der Stricker. Sie nahm, wie später folgende Zünfte und Gilden, ausschliesslich Männer auf, die für die nächsten zwei Jahrhunderte auch ausschliesslich an männliche Zwischenhändler lieferten. Prominentes Beispiel hierfür soll Daniel Defoe (ca. 1660–1731), der Autor von «Robinson Crusoe», gewesen sein, der unter anderem mit Strickwaren im grossen Stil gehandelt haben soll – aber wohl ein besserer Schriftsteller als Geschäftsmann gewesen sein muss. Er ging schon in frühen Jahren Konkurs und verlegte sich aufs Schreiben.

Im neuen Handwerk entstanden zunächst hauptsächlich Strümpfe, aber auch Mützen, Hauben und Ähnliches für Adlige. Ärmere Menschen hüllten sich die Beine wie bis anhin in besser oder schlechter gewobene Stoffe oder Lappen. Kein Wunder, dass die Gewohnheit, sich Strümpfe selbst zu stricken, mit dem einfacheren Zugang zu Stricknadeln und Wolle zunahm. Auf dem Land, schreibt die Basler Journalistin Liz Sutter in ihrem umfassend recherchierten Essay «Geschichte des Strickens», hat in vielen Ländern, insbesondere auch Grossbritannien, das Strickfieber um sich gegriffen – ob beim Schafe- oder Schweinehüten, ob im Stehen und Gehen. Ein britischer Pfarrer musste Anfang des letzten Jahrhunderts ein Strickverbot während des Gottesdiensts aussprechen. Sogar Soldaten, hat Sutter recherchiert, strickten mit solcher Passion, dass dies sogar auf Bildern verewigt ist – etwa auf zahlreichen Werken des deutschen Malers der Romantik Carl Spitzweg (1808–1885).

Wie Stricken plötzlich weiblich besetzt wurde, könnte mit dem Aufkommen der Strickmaschinen und der Industrialisierung in Zusammenhang stehen – mit dem Aufkommen der Schichtarbeit in Fabriken etablierte sich erst die Trennung von Haushalt und Arbeit. Frauen kümmerten sich vermehrt zu Hause um den Nachwuchs. Grossfamilien taten sich Mitte des letzten Jahrhunderts noch oft eine Strickmaschine zu – und Mütter und Grossmütter trennten jeweils die Wolle wieder auf, wenn ein Kind aus einem Pullover gewachsen war, um sie neu zu verstricken. Für das «weibliche» Image des Strickens ist in der Schweiz auch die Schule zuständig: Über Jahrzehnte erhielten nur die Mädchen Handarbeitsunterricht, während die Jungen mit Holz werkten. Erst seit kurzem vermitteln Werklehrer Jungen und Mädchen sowohl textile wie auch handwerkliche Fähigkeiten.

Die Strickgilden versuchten im Übrigen, die Entwicklungen und Verbreitungen von Strickmaschinen vehement zu bekämpfen – umsonst. Heutzutage entsteht fast jede Unterhose, jedes Unterleibchen, T-Shirt und jeder Pullover auf einer Strickmaschine.

Von Hand stricken lohnt sich aber immer noch: Wer sich gestresst fühlt oder unter Ängsten leidet, soll es tun – sagt Harvard-Professor Herbert Benson. Laut dem Gründer und Leiter des Mind/Body Medical Institute der Harvard Medical School versetzen die repetitiven, automatisierten Bewegungen den oder die Strickenden in einen ähnlichen Geisteszustand wie Meditation oder Yoga. Blutdruck, Pulsschlag und Stresslevel sinken, Depressionen und chronische Schmerzen können sich mindern, während sich diverse Gehirnfunktionen verbessern können. Und zum Schluss hat man erst noch ein Produkt, das wärmt! Na dann: Achtung, fertig, lasst die Nadeln klappern!

Diesen Titel hat Martina Altermatt vom FabLab Zürich für uns gestrickt, auf einer computergesteuerten, gehackten Strickmaschine. FabLabs gibt es in fast allen grösseren Schweizer Städten. In ihnen kann jeder und jede nahezu alles selbst herstellen, was man sonst kaufen würde. Von Porzellan mit dem 3D-Drucker über Strickdesign bis hin zu Holzprojekten mit einer CNC-Fräsmaschine. Zudem wartet ein Reperaturcafé auf elektronische Geräte.

Diesen Titel hat Martina Altermatt vom FabLab Zürich für uns gestrickt, auf einer computergesteuerten, gehackten Strickmaschine. FabLabs gibt es in fast allen grösseren Schweizer Städten. In ihnen kann jeder und jede nahezu alles selbst herstellen, was man sonst kaufen würde. Von Porzellan mit dem 3D-Drucker über Strickdesign bis hin zu Holzprojekten mit einer CNC-Fräsmaschine. Zudem wartet ein Reperaturcafé auf elektronische Geräte.

Eigentlich nennt man sie «Pulswärmer». Aber dieses Wort ist zu öde für die «Chirlihändstees», die Frauen in Visperterminen VS stricken. Die wunderschönen Dinger mit Perlenstrickerei können schliesslich jedes Haute-Couture-Outfit ergänzen. Sie sind auch online bestellbar und kosten 50 Franken. Dauerbrenner sind längst auch die Stricklabels «Xess&Baba» mit ihren oft beidseitig tragbaren Kleidungsstücken und «Erfolg» mit den klaren Schnitten. Und wer Neueres will, schaut bei «Beige» oder «Herr Urs» vorbei und hüllt sich in wunderbare Farbkombinationen.

Eigentlich nennt man sie «Pulswärmer». Aber dieses Wort ist zu öde für die «Chirlihändstees», die Frauen in Visperterminen VS stricken. Die wunderschönen Dinger mit Perlenstrickerei können schliesslich jedes Haute-Couture-Outfit ergänzen. Sie sind auch online bestellbar und kosten 50 Franken. Dauerbrenner sind längst auch die Stricklabels «Xess&Baba» mit ihren oft beidseitig tragbaren Kleidungsstücken und «Erfolg» mit den klaren Schnitten. Und wer Neueres will, schaut bei «Beige» oder «Herr Urs» vorbei und hüllt sich in wunderbare Farbkombinationen.